Den Sozialstaat fitter, nicht fetter machen
Familienministerin Lisa Paus hält es weiter für richtig, wegen der geplanten Kindergrundsicherung rund 5000 neue Stellen zu schaffen. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner findet die Vorstellung, dass der Staat eine „Bringschuld“ bei Sozialleistungen habe, „verstörend – erst recht, wenn dafür 5000 neue Staatsbedienstete eingestellt werden müssen.“ Er reagierte damit auf ein Interview der Familienministerin in der „Rheinischen Post“. Darin hatte Paus die geplanten 5000 neuen Stellen für die Auszahlung der Leistung mit einer „Bürokratieentlastung für die Bürger“ und einer „Bringschuld des Staates“ begründet.
„Warum das Familienministerium gerade jetzt die ebenso alte wie absurde Forderung nach 5000 neuen Stellen wiederholt hat, erscheint rätselhaft“, sagt auch FDP-Vize Johannes Vogel. Es müsse bei der Kindergrundsicherung darum gehen, Prozesse zu digitalisieren und Bürokratie ab- und nicht aufzubauen, bekräftigte Vogel, der auch Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion ist. Dafür liege „bis heute leider kein funktionierendes Konzept vor“. Er ist überzeugt: „Wir müssen unseren Sozialstaat fitter, nicht fetter machen.“
Bildungs- und Aufstiegschancen verbessern
Es müsse darum gehen, Leistungen zu bündeln, mit dem Kinderchancenportal zu digitalisieren und Bürokratieabbau voranzutreiben. „Dafür liegt bis heute leider kein funktionierendes Konzept vor. Ein solches zu erreichen, war und ist Ziel der Gespräche im parlamentarischen Verfahren, gerade weil uns die Reduktion der Kinderarmut wichtig ist“, bekundete Vogel seinen Unmut. „Dafür müssen wir insbesondere im Dickicht der familienbezogenen Leistungen auch dafür sorgen, dass sich Anstrengung stärker lohnt und mehr Menschen Schritt für Schritt vom Sozialstaat unabhängig werden können. Bildungs- und Aufstiegschancen unabhängig von der Herkunft müssen besser werden, statt den Sozialstaat aus Prinzip immer weiter auszudehnen. Das ist ein Gebot der Vernunft – und sollte der Kern sein, auf den sich alle einigen können.“
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen lassen Paus Äußerungen ebenfalls „ratlos zurück“. Paus habe sich mit ihren jetzigen Vorstellungen „meilenweit vom Koalitionsziel entfernt“. Dieses habe darin bestanden, „bestehende Leistungen für Familien zu bündeln und diese digital zugänglich zu machen“. In den bisherigen Verhandlungen habe Paus keinen Gesetzentwurf präsentieren können, „der dem Ziel der Bekämpfung von Kinderarmut in irgendeiner Weise entsprechen kann. Umso schwerer wird es, über dieses Projekt weiter seriös zu verhandeln, wenn man ein so fragwürdiges Verständnis von einer Bringschuld des Staates in der Sozialpolitik hat.“
Hintergrund
Eltern bekommen automatisch entweder Kindergeld oder die Freibeträge für Kinder bei der Einkommensteuer. Das Finanzamt prüft, was im Einzelfall vorteilhafter ist. Zum 1. Januar wurde der Freibetrag bereits von 6024 Euro auf 6384 Euro angehoben und soll nach den Plänen des Finanzministeriums rückwirkend auf 6612 Euro steigen. Auch der allgemeine Grundfreibetrag soll höher werden. Das sei notwendig, weil infolge der Inflation auch die Regelbedarfe beim Bürgergeld stärker angehoben wurden. Das Kindergeld war 2023 von 219 Euro auf 250 Euro pro Monat und Kind gestiegen, ein Plus von mehr als 14 Prozent.
Die FDP will mehr Chancen für mehr Kinder schaffen. Deshalb hat sie mit der Erhöhung des Kindergeldes, der schnelleren Anpassung der Regelsätze der Grundsicherung für Kinder an die Inflation und dem erhöhten Kinderzuschlag bereits erhebliche Entlastungen für Familien mit Kindern mit auf den Weg gebracht. Sieben Milliarden Euro mehr werden dafür jetzt jährlich bereitgestellt.
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- tagesspiegel.de: „Lindner, arme Kinder und die Zuwanderung: Zuhören statt aufregen“
- spiegel.de: Warum der Kinderfreibetrag angehoben werden muss – und das Kindergeld nicht